In einer losen Serie möchte ich mich den grundlegenden Elementen einer guten und erfolgreichen Mitarbeiterführung widmen. Als erstes Thema gehe ich auf den Komplex des Delegieren ein. Delegieren gehört zur Führung wie Wasser ins Meer. Ohne Delegation geht es kaum. Selbst in kleinen Organisationen stellt sich schnell die Frage, ob man wirklich alles selber machen sollte. In grossen Organisationen nimmt das Delegieren einen Großteil der täglichen Führungsarbeit aller Führungskräfte in Anspruch. Leider ist es mit dem Delegieren, wie mit so vielem im Leben: Der Teufel steckt im Detail. Ich möchte in diesem Beitrag einen Überblick über die Varianten des Delegieren geben und so helfen, erfolgreich zu delegieren.  

Wenn man sich dem Thema „Delegation“ nähert, kommt man an Douglas McGregor und seinem Verständnis des s. g. „Delegationskontinuums“ nicht vorbei. McGregor lehrte am  Massachusetts Institute of Technology (MIT). Er gilt als einer der Gründerväter des zeitgenössischen Managementgedankens. McGregor gliederte die Art des Delegieren in 6 Delegationsvarianten, die den Umfang der Delegation regeln. Er geht dabei grundsätzlich von einer Besprechungssituation aus, in der eine Führungskraft Informationen an ihre Mitarbeiter weitergibt. Dabei reicht das von McGregor dargestellte Spektrum von gar keiner Weitergabe von Informationen bis zur offenen Diskussion über ein Thema. Im Nachfolgenden möchte ich diese Theorie darstellen, jedoch nicht nur eingegrenzt auf eine Besprechungssituation, sondern mit dem generellen Verständnis der Delegation einer Aufgabe an einen Mitarbeiter. Dabei erfahren Sie, welche Stufen der Delegation es gibt, welche Vor- und Nachteile diese haben und wann Sie die einzelnen Varianten am besten einsetzen können.

Stufe 1: Die Führungskraft hat allein alles entschieden und teilt dies nur noch mit

In dieser Situation wird die Entscheidung der Führungskraft dem Mitarbeiter lediglich mitgeteilt. Die Führungskraft hat in dem Fall alles entschieden, der Entscheidungsspielraum des Mitarbeiters ist nicht vorhanden. Dies ist eine extreme Form der Delegation. Es gibt jedoch Situationen, bei der eine solche Delegationsform absolut angebracht und notwendig ist. Nämlich dann, wenn eine Entscheidung einfach schon unumstößlich feststeht. Nach meiner Erfahrung ist es für den Mitarbeiter auch absolut annehmbar, zu akzeptieren, dass seine Führungskraft eine Entscheidung getroffen hat. Voraussetzung für die Akzeptanz dieser Führungsmethode ist jedoch, dass diese Art der Delegation nicht die Regel sondern die Ausnahme ist und die Führungskraft auch ganz klar zu verstehen gibt, dass eine Diskussion nicht möglich und nicht gewollt ist. Den größten Fehler, den Führungskräfte an dieser Stelle begehen können, ist es eine Diskussion über etwas zuzulassen, dass sie jedoch gar nicht zur Diskussion stellen wollen. Mitarbeiter merken das schnell. Ein solches Führungsverhalten frustriert. Mitarbeiter fühlen sich verschaukelt, wenn sie merken, dass zwar mit ihnen diskutiert wird, aber alle Argumente „abprallen“, da die Entscheidung ohnehin schon feststeht. Dann ist es besser, wenn die Führungskraft gleich „reinen Tisch“ macht und sagt, was Sache ist. Der Nachteil in dieser Methode liegt natürlich darin, dass die Führungskraft etwas übersehen hat und so Fehler macht. Der Mitarbeiter hat ja bei diesem autoritären Führungsstil keine Chance, einen Hinweis zu geben. Dies gilt es zu bedenken. Der Vorteil ist, dass eine Entscheidung klar und ohne ggf. verwässernde oder für beide Seiten anstrengende Diskussionen mitgeteilt wird.

Stufe 2: Die Führungskraft hat entschieden, lässt jedoch eine Diskussion über die Entscheidung zu

Auf dieser Stufe ist sich die Führungskraft zwar sicher, was sie entscheiden möchte und was zu veranlassen ist. Sie stellt sich jedoch einer Diskussion. Vereinfacht könnte man sagen, dass die Geisteshaltung der Führungskraft bei Anwendung dieser Stufe der Delegation die ist, dass sie sich zwar sicher ist, was es zu tun ist, die Gefahr, dass sie etwas nicht bedacht hat, jedoch nicht völlig ausschliessen kann und sich daher einer Diskussion stellt. Wichtig bei Anwendung dieser Delegationsstufe ist es, dem Mitarbeiter deutlich zu verstehen zu geben, dass man zwar an seiner Meinung Interesse hat, die Entscheidung jedoch schon gefallen ist. So weiß der Mitarbeiter, dass er seine Meinung anbringen kann, ohne jedoch erwarten zu dürfen, dass die Entscheidung nochmal geändert wird. Natürlich sollte die Führungskraft an dieser Stelle auch zu verstehen geben, dass sie im Falle von wichtigen Argumenten bereit ist, die Entscheidung anzupassen oder zurückzunehmen. Sonst wäre jeglicher Beitrag der Mitarbeiter ja letztlich sinnlos, was für diese wiederum frustrierend ist. Entscheidend ist an dieser Stelle, dass die Führungskraft diese Stufe der Delegation nicht einsetzt, wenn sie die Diskussion nutzen möchte um Mitarbeiter „mitzunehmen“. Dazu ist das Eigentum der Mitarbeiter in dem Fall viel zu gering, da ja erwartet werden darf, dass die Entscheidung nicht oder nur marginal angepasst wird. Der Anwendungsbereich dieser Stufe beschränkt sich daher einzig auf den Aspekt der Fehlervermeidung. Wenn es um das „mitnehmen“ von Mitarbeitern geht, dann ist die Stufe 3 das richtige Mittel.

Stufe 3: Die Führungskraft hat eine Idee, möchte über diese jedoch diskutieren

Bei Stufe 3 der Delegation hat die Führungskraft zwar eine Idee, ist jedoch offen in dem, was sie entscheiden möchte. Der Ablauf ist in diesem Fall denkbar einfach: Die Führungskraft führt die Idee aus und stellt diese zur Entscheidung. Dann folgt eine offene Diskussion über das weitere Vorgehen. Offen heißt in dem Fall jedoch wirklich offen. Und genau da liegt oft der Haken. Viele Führungskräfte tendieren nach meiner Erfahrung dazu, aufgrund eines kooperativen und sozialen Umgangs mit ihren Mitarbeitern diese Stufe der Delegation auch dann zu wählen, wenn sie bereits eine Entscheidung getroffen haben. Das führt dann oft zu für alle Seiten nervenaufreibenden Diskussionen, wenn die Führungskraft versucht, ihre Meinung in der nun folgenden Diskussion „durchzudrücken“. Das ist dann oft für Mitarbeiter sowie für die Führungskraft gleichermaßen ermüdend um nicht zu sagen frustrierend. Die Führungskraft sollte sich daher bewusst sein, dass nur eine Entscheidung zur Diskussion gestellt werden darf, die auch wirklich zur Diskussion steht. Wen dem so ist, dann liegt der Vorteil dieser Stufe auf der Hand: Die Mitarbeiter setzen sich in der tiefe mit dem Thema auseinander und stehen in der Regel voll hinter einer Entscheidung, die sie ja auch selber mit getroffen haben. Natürlich heißt es nicht, dass eine Führungskraft am Ende alles machen muss, was sich die Mitarbeiter so wünschen. Die Verantwortung liegt immer noch bei der Führungskraft. Und das legitimiert diese auch, ein Veto einzulegen. Dies sollte jedoch die absolute Ausnahme bleiben, wenn man sich für eine Diskussion über eine Entscheidung entschieden hat. Am besten, sollte dann die Diskussion abgebrochen werde und eine neue Entscheidungsfindung zu einem späteren Zeitpunkt avisiert werden. Dann hat die Führungskraft die Möglichkeit, in Ruhe zu überlegen, ob sie die Diskussion fortsetzen will, oder – dann jedoch im Rahmen eines neuen Termins – den Input der Mitarbeiter verarbeitet und sich dann für eine Delegationsstufe mit geringerer Beteiligung der Mitarbeiter – also Stufe 1 oder 2 – entscheidet.

Stufe 4: Die Führungskraft hat ein Thema, und möchte dieses Diskutieren um zu einer Entscheidung zu kommen

Diese 4. Stufe könnte man auch neudeutsch „Brainstorming“ mit anschließender Entscheidungsfindung nennen. Der Unterschied zur Stufe 3 besteht darin, dass die Führungskraft gar keine Richtung vorgibt, in dem sie zumindest einen Entscheidungsvorschlag macht. Entsprechend offen verlaufen dadurch die Diskussionen. Das führt einerseits zu sehr hohem Eigentum bei den Mitarbeitern, andererseits jedoch auch zu kontroversen Auseinandersetzungen, die anstrengend und frustrierend sein können. In der Theorie steht auch bei dieser Stufe am Ende eine Entscheidung. In der Praxis ist es nach meiner Erfahrung jedoch oft sinnvoller, in einem zweigliedrigen Prozess zunächst Optionen zu diktieren und dann in einem gesonderten Termin nochmals über diese zu sprechen und dann einen Konsens zu finden. Diese Zweigliedrigkeit gibt allen Beteiligten die Möglichkeit ihre Positionen in Vorbereitung auf den zweiten Termin nochmals zu reflektieren und zu überdenken. Erfahrungsgemäß verläuft der zweite Termin dann sachlicher und zielorientierter.

„Richtig“ Delegieren. Eine Zusammenfassung

In der Überschrift zu diesem Abschnitt liegt zugegeben etwas Ironie. Was heißt „richtiges“ Delegieren denn? Ich denke, eine absolute Wahrheit kann es in diesem Fall nicht geben. Ich kann daher nur eine grobe Richtung empfehlen: Zunächst sollte sich jede Führungskraft über den Reife- und Erfahrungsgrad ihrer Mitarbeiter informieren bzw. versuchen, diesen für sich klar einzuordnen. Dabei spielt sowohl die persönliche Reife und Erfahrung als auch die Reife und Erfahrung in einem fachlichen Thema eine grosse Rolle. Damit meine ich, dass ein Mitarbeiter, der zwar in einer Aufgabe sehr erfahren ist und unstrittig über grosse persönliche Reife verfügt, in einer neuen Aufgabe völlig unerfahren, wenngleich mit der gleichen persönlichen Reife gesegnet sein kann. Natürlich ist auch der umgekehrte Fall denkbar. Wenn die Führungskraft sich dann über den Reife- und Erfahrungsgrad ihrer Mitarbeiter ein abschliessendes Bild gemacht hat, sollte sie sich dann überlegen, welche Stufe der Delegation zu wählen ist. In der Praxis kommen dabei oft nur die Stufe 2 oder 3 in Betracht. Die Grundregel ist dabei, je höher der Reife- und Erfahrungsgrad der Mitarbeiter ist, je offener kann diskutiert werden. Die Stufen 1 und 4 sind in der Praxis eher die „Exoten“. Stufe 1 ist oft unabhängig vom Reife- und Erfahrungsgrad einfach zwingend, wenn es darum geht unumstößliche Endscheidungen zu kommunizieren. Stufe 4 sollte bei tendenziell nur bei reifen und erfahrenen Mitarbeitern angewendet werden um das bei diesen „schlummernde“ know-how „freizulegen“. Auch die Gruppengröße sollte von der Führungskraft bedacht werden. In einem Vier-Augen-Gespräch läßt sich ein Thema einfacher offen Diskutieren, als in einer grossen Gruppe von z. B. 20 Managern. Wie so oft gilt am Ende auch hier: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“. Fehler machen und Erfahrung sammeln gehört daher dazu. Da das Thema jedoch sehr komplex ist und von großer Bedeutung für die Organisationsentwicklung, kann es sich an dieser Stelle lohnen, die Führungskräfte in diesem Thema auch mit Unterstützung eines erfahrenen Coaches auszubilden und weiterzuentwickeln.

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Ansgar M. Nagel ist Investor und Unternehmerberater.
Als Unternehmerberater engagiert er sich als Partner von Unternehmern und Unternehmen bei der erfolgreichen Umsetzung von Unternehmensverkäufen. Darüber hinaus begleitet er bei Optimierungen im Bereich Führung, Vertrieb und Ökonomie.
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